Die Erfindung der Wahrheit

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Drama

Interview: Andrew Warne

Jessica Chastain: «Politiker sind nur noch mit Spenden sammel beschäftigt»

LOS ANGELES. Jessica Chastain glänzt auf dem Roten Teppich nicht nur mit ihrem makellosen Aussehen, sondern auch mit einem strahlenden Lächeln. Die sonst so sympathische Schauspielerin zeigt nun eine völlig andere Seite von sich: Skrupellos und äusserst selbstbewusst beherrscht sie als Miss Sloane im gleichnamigen Drama die Waffenlobby der Vereinigten Staaten. Im Interview mit Kinowetter sprach Jessica Chastain über die aussergewöhnliche Rolle.

Jessica Chastain, wie fühlte es sich für Sie an in eine solche Rolle zu schlüpfen? Elizabeth Sloane besitzt einen sehr speziellen Charakter. Ihr durch die Filmhandlung zu folgen ist wahnsinnig fesselnd. Ihr Charakter war unglaublich zu spielen. Für mich hing ein grosser Teil ihrer Persönlichkeit mit einer Unabhängigkeit zusammen. Menschen können grundsätzlich nach allem Möglichen süchtig sein; nach Essen, Sex, Drogen und was auch immer. Sloane Sucht ist es, zu gewinnen. Alles in ihrem Leben dreht sich nur um diese eine Sache. Um das grösste Hoch zu erreichen, muss sie den ungewinnbaren Fall für sich entscheiden.

Im Film spielt aber die Waffenlobby an sich gar keine so wichtige Rolle, nicht wahr? Das ist tatsächlich sehr interessant. Ja, der Film handelt von der Waffenlobby. Aber genauso gut könnte er jegliches andere kontroverse Thema aufassen. Sei es die Klimaveränderung oder Immigration. Es musste einfach irgendeine Art von Problematik sein. Denn in erster Linie zeigt der Film auf, wieso das politische System zerfallen ist. Politiker repräsentieren nicht zwangsläufig die Bevölkerung. Politiker sind nur noch mit Spenden sammel beschäftigt.

Machte es keine Angst, jemanden zu verkörpern, der offensichtlich nicht von allen gemocht werden wird? In den Filmen der USA werden weibliche Charaktere immer so dargestellt, dass man sie mögen muss. Männliche Charaktere können Rebellen sein, Einzelgänger, die sich gegen etwas stellen und dreckige Dinge für das Wohl der Gemeinschaft tun. Sie treffen taffe Entscheidungen, die manche vielleicht verletzten werden, aber sie retten damit vielen Menschen das Leben. Frauen jedoch, hatten bisher nicht wirklich die Möglichkeit, eine solche Rolle in den amerikanischen Medien zu spielen. Ich wollte sichergehen, dass wir kein "Amerikanisches-Sweetheart-kämpft-um-ihre-Träume" präsentieren. Ich brauchte den Charakter so rücksichtslos, wie er im Drehbuch vorgesehen war.

Hatten Sie Mühe, eine solch skrupellose Frau zu spielen? Am meisten zu kämpfen hatte ich mir ihrer Energie. Sloan besitzt wahnsinnige viel davon. Da ist die Geschwindigkeit ihrer Sprachen, dann das Herumlaufen währendem sie spricht und ihr andauerndes Tippen. Sie macht stets viele Dinge auf einmal und alle um sie herum wundern sich, was sie genau macht oder wohin sie geht. Diese Energie und den Fokus durch den 6-wöchigen Dreh aufrecht zu halten war enorm anstrengend. Am Ende fühlte ich mich einfach fertig. Ich brauchte vier Monate Pause, bevor ich mich auf das nächste Set wagte.

Wie haben Sie sich auf diese ungewöhnliche Rolle vorbereitet? Zuerst lass ich Jack Abramoff's Buch. Dieser musste als Lobbyist ins Gefängnis gehen. Aus dem Stoff konnte ich einige nützliche Dinge zu ihrer Hintergrundgeschichte und den Grund, weshalb sie in die Lobby kam, entziehen. Danach traf ich mich mit elf Lobbyistinnen in D.C. und stellte ihnen aller Art persönlicher Fragen: über den Drogengebrauch in D.C., Fragen über ihr Familienleben, wie sie sich selbst der Welt präsentieren... Erstaunlicherweise trugen sieben von den elf Frauen schwarze Nägel. Ein verrückter Trend, denn ich D.C. niemals zugetraut hätte. Das alles hat definitiv einen grossen Einfluss auf Elizabeth Sloane.

Kam während dem Dreh bereits der Gedanke auf, dass der Film für einen Award in Frage kommen könnte? Mein einziger Gedanke während dem Dreh war, wie Kontrovers der Film sein wird. Ich hoffe wir werden nicht viele Menschen verfremden. Mehr als alles andere wünsche ich mir, dass dieser Film zu Gesprächen anregt. Niemand sollte die Ohren davor verschliessen. Und manchmal sind es die kontroversesten Filme, die am meisten Award-Tauglich sind. Aber wer weiss schon.

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